Einleitung
In den letzten Jahrzehnten hat die Sozialarbeit erhebliche Fortschritte gemacht, was zu einem kritisch-reflektierten Ansatz und einer einzigartigen Reife im 21. Jahrhundert geführt hat. Dennoch sind wir uns bewusst, dass trotz dieser Fortschritte noch einige analytische Herausforderungen zu bewältigen sind, insbesondere im Hinblick auf das theoretisch-methodische Vorgehen bei Fragen, die unmittelbar mit dem Eingreifen in die Praxis des Sozialarbeiters in individuellen Angelegenheiten zusammenhängen.
Unsere Doktorarbeit, die 2003 an der PUC-SP verteidigt wurde, widmete sich genau diesem Thema: der individuellen Herangehensweise als eine Interventionsmethode im professionellen Handeln des Sozialarbeiters. Obwohl die individuelle Herangehensweise in verschiedenen Arbeitskontexten gefordert wird, fehlt es an umfassender analytischer Aufarbeitung. Dieser Mangel an theoretischer Durchdringung behindert ihre Integration in das ethisch-politische Professionsprojekt der letzten Jahrzehnte.
Die ontologischen Kategorien in der Bildung der Individualität des Einzelnen
Marx selbst bietet keine ausführliche Theorie der Persönlichkeit oder der Individualität. Dennoch liefert er grundlegende Konzepte, die von anderen marxistischen Denkern aufgegriffen wurden, um die wiederkehrende Frage "Was ist der Mensch?" zu beantworten, sowohl in seiner generischen Dimension (die Menschheit als Gattung) als auch in seiner individuellen Dimension (der Einzelmensch).
Gemäß Marx ist der Mensch zuallererst ein natürliches, körperliches, sinnliches, objektives Wesen - ein Wesen, das leidet, bedingt und begrenzt ist, ähnlich wie Tiere und Pflanzen. Gleichzeitig ist er ein Repräsentant seiner Gattung. Der Mensch ist also ein Wesen, das eine materielle Basis hat und Prozesse der biophysischen Veränderung durchläuft, um als Lebewesen fortzubestehen. Dabei hängt die Befriedigung dieser Bedürfnisse von Elementen ab, die außerhalb des Individuums in der Natur existieren.
Die Bedeutung der menschlichen Aktivität in der Bildung der Individualität
Die menschliche Aktivität spielt eine entscheidende Rolle bei der Herstellung einer Verbindung zur Natur. Anders als Tiere, die auf genetisch vermittelte Mechanismen angewiesen sind, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, hat der Mensch eine bewusste, rationale und zielgerichtete Aktivität, die es ihm ermöglicht, die Natur nicht nur zu reproduzieren, sondern auch zu gestalten. Der Mensch verwandelt die Natur, schafft eine soziale Welt und verändert sich selbst in diesem Prozess.
Durch diese Aktivität entsteht eine "Übernatur" - eine Realität, die nicht mehr nur natürlicher, sondern auch menschlicher Charakter ist. Diese Übergang zur menschlichen Schöpfung ist ein entscheidendes Merkmal der menschlichen Individualität. Es zeigt, dass der Mensch nicht nur ein passives Abbild der gesellschaftlichen Bedingungen ist, sondern aktiv an der Gestaltung seiner Umwelt und seiner selbst beteiligt ist.
Die Sozialität und die Bildung der Individualität
Die Bildung der Individualität ist eng mit der sozialen Dimension verbunden. Der Einzelne formt seine Individualität durch die Interaktion mit anderen Menschen und durch die Aneignung sozialer Objektivationen, die in der gesellschaftlichen Praxis historisch entstanden sind. Die Sozialität des Menschen ist entscheidend für die Bildung der Individualität. Die Beziehungen zu anderen Menschen und die Interaktion in sozialen Gruppen beeinflussen maßgeblich die Entwicklung des Einzelnen.
Jeder Mensch ist ein einzigartiges Individuum, das die allgemeinen Merkmale seiner Gattung mit individuellen Unterschieden kombiniert. Diese Unterschiede sind das Ergebnis seiner aktiven Aneignung sozialer Objektivationen und seiner eigenen objektiven Tätigkeit. Jeder Mensch formt seine Individualität durch die Interaktion mit anderen Menschen und durch die Aneignung sozialer Objektivationen, die in der gesellschaftlichen Praxis historisch entstanden sind.
Die Individualität in einer Welt der Entfremdung und Ausbeutung
In einer Welt, in der die Arbeitsteilung und Privateigentum vorherrschen, sehen wir, wie sich das Phänomen der Entfremdung ausbreitet. Die menschlichen Werke und Schöpfungen werden zu fremden und entfremdeten Objekten, die die Menschen beherrschen, anstatt von ihnen beherrscht zu werden. Dies erreicht seinen Höhepunkt in der bürgerlichen Gesellschaft, in der die Arbeit zur Ware wird und der Arbeiter selbst zur Ware wird.
Der Weg zur Überwindung der Entfremdung und zur vollständigen Humanisierung
Die Überwindung dieser Entfremdung erfordert kollektive Anstrengungen und die Schaffung einer Gesellschaft, in der die Bedürfnisse, Fähigkeiten und Potenziale jedes Einzelnen zur vollen Entfaltung kommen können. Die Entfremdung kann nur durch die Schaffung einer sozialen Ordnung überwunden werden, die auf Prinzipien der Gerechtigkeit und Solidarität beruht, anstatt auf Ausbeutung und Ungleichheit.
Fazit
Die Bildung der Individualität des Einzelnen ist ein komplexer Prozess, der von sozialen Bedingungen und sozialen Beziehungen geprägt ist. Um eine menschliche Individualität zu entwickeln, die die volle Entfaltung der Potenziale des Einzelnen ermöglicht, ist es notwendig, die Entfremdung und Ausbeutung in der Gesellschaft zu überwinden und eine soziale Ordnung zu schaffen, die auf Gerechtigkeit, Solidarität und menschlicher Entwicklung basiert. Dies ist eine kollektive Aufgabe, die nur durch gemeinsame Anstrengungen erreicht werden kann.